Die Lage in Afghanistan ist seit Jahren desolat und mit der Machtübernahme der Taliban eskaliert. Menschen werden gefoltert, getötet, die Frauenrechte massivst eingeschränkt und Wirtschaftsexpert*innen warnen vor einem Wirtschaftskollaps in den nächsten Monaten. Die Situation für die Betroffenen vor Ort ist katastrophal und eine behördliche Infrastruktur steht nicht zur Verfügung. Jetzt sind rasche Entscheidungen und Handlungen der internationalen Staatengemeinschaft gefragt – vor allem aber der Länder, die in den letzten Jahrzehnten Militäreinsätze in Afghanistan durchgeführt haben. Deutschland muss den Menschen vor Ort, die für deutsches Militär, Behörden, Subunternehmen und aus Deutschland finanzierte NGOs gearbeitet haben, schnellstmöglich die Ausreise und eine Aufnahme in Deutschland ermöglichen. Das Gleiche gilt für ihre ebenfalls gefährdeten Familien und Angehörigen sowie Richter*innen, Journalist*innen und Menschenrechtler*innen. Sie alle sind unübersehbaren Gefahren ausgesetzt und haben eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung durch die Taliban zu befürchten.
Bundesweit erreichen unsere Migrationsfachdienste unzählige Hilferufe von Menschen afghanischer Herkunft, die sich um sich selbst oder ihre Familienangehörigen in Afghanistan und in den Nachbarstaaten sorgen. Viele Angehörige fühlen sich hilflos angesichts der unüberschaubaren Sicherheitslage in Afghanistan sowie aufgrund der Intransparenz deutscher Aufnahmezusagen und Evakuierungen oder sonstiger Möglichkeiten, das Land sicher zu verlassen. Auch das Familiennachzugsverfahren ist für in Deutschland lebende Afghan*innen sowie für die Menschen vor Ort intransparent, kompliziert oder erst gar nicht zugänglich. Da die deutsche Botschaft in Afghanistan geschlossen ist, müssen die Familiennachzügler*innen zunächst in die Anrainerstaaten kommen, um dort bei einer deutschen Botschaft vorzusprechen. Eine Ausreise aus Afghanistan ist aber in den meisten Fällen durch die Kontrolle der Taliban und/oder aufgrund fehlender Reisepässe unmöglich.
Angesichts dieser Situation müssen Vereinbarungen mit den Nachbarländern Afghanistans getroffen werden, um gefährdeten Personen eine gesicherte Einreise in diese Länder und die Weiterreise nach Deutschland zu ermöglichen. Die neue Bundesregierung muss sich dafür einsetzen, dass gefährdete Menschen die Nachbarstaaten sicher erreichen können. Visaverfahren zur Familienzusammenführung müssen nun priorisiert sowie zügig und unter Ausschöpfung aller Ermessenspielräume umgehend bearbeitet und entschieden werden. Zur Vermeidung gefährlicher Reisen muss die Visaantragstellung auch digital möglich sein.