„Arme Kinder entwickeln keine Wünsche, weil ihnen die Situation ihrer Familie schnell bewusst wird.“
Bundeskanzler Scholz zu Besuch im AWO Büro KINDER(ar)MUT
„Arme Kinder entwickeln keine Wünsche, weil ihnen die Situation ihrer Familie schnell bewusst wird.“
In seiner Funktion als SPD-Bundestagsabgeordneter hat Bundeskanzler Olaf Scholz am gestrigen Dienstag das AWO Büro KINDER(ar)Mut besucht. Im Rahmen einer Sommertour durch seinen Wahlkreis ging es in dem rund einstündigen Gespräch mit Fachkräften und Ehrenamtlichen sowie dem Vorstand des AWO Bezirksverbandes Potsdam e.V. vor allem um die Situation von Kindern aus armen Familien. Auch die Präsidentin des Wohlfahrtsverbandes, Marianne Rehda, nahm an dem Gespräch teil. „Chancengleichheit für alle Kinder ist mir ein Anliegen“, sagte Scholz. Er wolle mehr über die Arbeit des Büro KINDER(ar)MUT erfahren.
Ziel sei es, die Kinderarmut abzuschaffen, sagte Jörn Mensching, kommissarischer Leiter des Büro KINDER(ar)Mut. Das Netzwerk arbeitet in Potsdam eng mit den Pädagog*innen in Kitas und Schulen, in Jugendclubs und Beratungsstellen, mit Familien und Unterstützer*innen zusammen. Es hat die Bedarfe von Kindern, Jugendlichen und deren Familien im Blick, die in Armut leben oder von Armut bedroht sind. Außerdem laufen über das Büro des AWO Bezirksverbandes Potsdam e.V. mehrere Projekte wie beispielsweise das spendenfinanzierte Projekt Wellenreiter, um armen Familien Schwimmkurse für ihre Kinder zu ermöglichen. Ein weiteres Projekt sind die ehrenamtlichen Bildungsbegleiter*innen, wie beispielsweise Helga und Ulrich Callies. Sie berichteten ebenfalls über ihr Engagement für Kinder an der Rosa-Luxemburg-Schule. „Eine Lehrerin allein kann den unterschiedlichen Bedarfen und Fähigkeiten der Kinder in einer Klasse kaum gerecht werden.“, sagte Ulrich Callies. Kinder bräuchten mehr individuelle Begleitung, gerade wenn die finanziellen Ressourcen der Familien und die Eltern selbst erschöpft sind.
Auch Rosa Hum und Liliia Chernyshova engagieren sich im Büro KINDER(ar)MUT ehrenamtlich für Kinder und Jugendliche. Rosa Hum ist Studentin, sie hilft bei dem Projekt Stadtteilfrühstück mit. Liliia Chernyshova flüchtete vor dem Krieg in der Ukraine nach Potsdam und unterstützt jetzt Kinder beim Erlernen der deutschen Sprache.
Olaf Scholz fragte nach, ob das aus Bundesmitteln finanzierte Bildungs- und Teilhabepaket (BuT), das ebenfalls Schwimmkurse, Schulessen oder mehr ermöglichen soll, „bei den Familien ankommt.“ Die Vorstandsvorsitzende Angela Schweers beschrieb die Potsdamer Realität, dass die Stadtverwaltung für eine Bewilligung der Gelder sechs bis neun Monate benötige. „Die Hilfe wird aber jetzt benötigt“, sagte sie. Sonst findet die Klassenfahrt, der Schwimmkurs oder das Fußballtraining ohne das Kind aus der armen Familie statt. Auch seien die Hürden viel zu hoch, der Antrag zu kompliziert. „Das schaffen viele Eltern nicht“. Immerhin: Beim Schulessen in Potsdam ist jetzt eine (Not)Lösung gefunden. Die Kosten werden ab dem neuen Schuljahr gedeckelt. Und wird ein Antrag auf Übernahme der Kosten gestellt, soll das Kind unabhängig von der Fallbearbeitung in der Stadtverwaltung bereits ab der nächsten Woche mitessen dürfen.
Hungrige Kinder erlebe sie regelmäßig, sagte auch die Leiterin der AWO-Kita „Kinderland“ Isabell Blankensee. Wenn sie sich etwas von der Politik wünschen dürfte, wäre es genau das: Eine kostenlose und ausreichende Essensversorgung aller Kinder.
Nun müsse noch die geplante Kindergrundsicherung auf Bundesebene umgesetzt werden, betonte die Präsidentin Marianne Rehda. Das sei für ihn eines der wichtigsten Projekte, betonte Olaf Scholz und er sei zuversichtlich, dass innerhalb der nächsten 6 Wochen ein Gesetzesvorschlag auf dem Tisch liege. Die bürokratischen Hürden seien unwahrscheinlich hoch. Dennoch muss es gelingen, an dieser Stelle weiter zu kommen. Seit der Corona-Pandemie und vor allem durch die hohe Inflation nimmt die Zahl von armutsbedrohten Familien deutlich zu. Beengtes Wohnen, wenig Geld für gesundes Essen, Bildung, Hobbies oder Urlaub. „Arme Kinder entwickeln keine Wünsche, weil ihnen die Situation ihrer Familie schnell bewusst wird.“, betonte Angela Schweers. Ein Ausstieg aus dieser Spirale ist nur möglich, wenn alle Kinder die gleichen Startbedingungen und damit die gleichen Bildungschancen unabhängig von den finanziellen Möglichkeiten ihrer Eltern bekommen.
Dazu gehört auch die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Am 10. September findet in Potsdam wieder das kostenfreie Kulturfestival „Kultur für JEDE*N!“ statt. Mitveranstalter*innen sind über 50 Kulturhäuser, Begegnungsstätten und Initiativen, die verschiedenste Programmpunkte auf die Beine stellen: Im ganzen Stadtgebiet laden Bürger- und Begegnungshäuser zu Kultur-Frühstücken ein, die Groß und Klein bei geselligem Essen und Live-Musik in den Tag starten lassen. Der Flyer mit dem Logo der VIP gilt am 10.09.2023 als Tageskarte für den Tarifbereich Potsdam AB in den Verkehrsmitteln der ViP. Der Eintritt ist für Jede*n überall frei – auch für den Bundeskanzler in seiner Heimatstadt.
Es war bereits der zweite Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz in seiner Funktion als Abgeordneter in einer Einrichtung der Potsdamer Arbeiterwohlfahrt. Im vergangenen Jahr informierte er sich über die Arbeit der AWO Schatztruhe am Schlaatz. Er versprach, auch im kommenden Jahr wiederzukommen.