Seit Jahren steigt die Armutsquote in Deutschland. Ende Mai werden dazu neue Zahlen erwartet, die dann zusätzlich auch die Veränderungen durch den Krieg in der Ukraine widerspiegeln werden.
Insbesondere Familien mit mehr als drei Kindern, Alleinerziehende, Langzeitarbeitslose und ältere Menschen mit einer unterbrochenen Erwerbsbiografie sind von Armut betroffen oder bedroht. Dabei ist ein Großteil derjenigen, die soziale Leistungen beziehen, erwerbstätig und auf diese Leistungen als sogenannte „Aufstocker*innen“ angewiesen.
Was es bedeutet, arm zu sein, welche Folgen das für die Betroffenen aber auch für unsere Gesellschaft hat, war gestern Abend Thema eines Gesprächs mit anschließender Diskussionsrunde in der Brandenburgischen Landeszentrale für politische Bildung. Als Gäste waren Andreas Kaczynski, Vorstand Der Paritätische, Landesverband Brandenburg e.V. und Sprecher der Landesarmutskonferenz (lak) Brandenburg und Franziska Löffler, Leiterin des Büro KINDER(ar)MUT des AWO Bezirksverbandes Potsdam geladen.
Dabei hob sie hervor, dass die Nachfrage zur Beratung und Unterstützung zur Beantragung von familienunterstützenden Leistungen seit mehreren Monaten stark zunimmt. Auch formulierten die Ratsuchenden zunehmend Ängste und Unsicherheiten mit Blick auf die Zukunft. Auffällig sei zudem, dass „immer mehr Menschen, die vorher nicht in unseren Beratungen waren“, diese verstärkt aufsuchten. Menschen, die die bestehenden Hilfesysteme durch staatliche Leistungen bisher gar nicht kannten oder nicht auf sie angewiesen waren. Vermutet wird, dass etwa 85 Prozent derjenigen Familien, denen Leistungen nach dem Bildungs- und Teilhabegesetz (BuT) für ihre Kinder zustehen, diese nicht in Anspruch nehmen, wie Kaczynski untermauerte. Dies lässt sich durch Unwissenheit über solchen Anspruch erklären aber auch durch teilweise komplizierte und langwierige „Ämtermarathons“ und Antragsprozedere, die frustrieren und erschöpfen.
In Armut zu leben oder von Armut bedroht zu sein, ist zudem sehr stark mit dem Gefühl des Ausgegrenzt Seins, das Empfinden von Ungerechtigkeit und insbesondere mit Scham verbunden. Eine Zahl aus dem Jahr 2017 zeigt, dass die reichsten 10 Prozent in Deutschland mehr als die Hälfte des Vermögens besitzen, während die ärmere Hälfte lediglich über 1.3 Prozent verfügt. Armut bedeutet auch, weniger Zugang zu sozialer und kultureller Teilhabe, gesundheitlicher Versorgung. „Armut macht krank. Wer in Armut aufwächst und lebt, stirbt 10 Jahre früher“, verdeutlichte Kaczynski.